Shutdown! Schule leiten in schwierigen Zeiten

Jessica Dove im Gespräch mit Christopher Axmann, Rektor der Carl-Prüter Schule in Sulingen

Christopher Axmann, Rektor der Carl-Prüter Schule in Sulingen. Foto: Jessica Dove

Die Corona-Krise hat einen tiefgreifenden Einfluss auf die Schule und somit auf das Lernen und Lehren genommen. Die Probleme wurden häufig durch ausführliche Berichte und Interviews mit Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern und Eltern zutreffend und umfangreich dargestellt. Die Schülerschaft kämpft sich durch das Homeschooling, besorgte Eltern fragen sich, ob ihre Kinder noch ausreichend lernen, ob nicht Lernrückstände entstehen und wie diese je wieder aufgeholt werden können. Die Lehrkräfte wurden konfrontiert mit Onlineunterricht, Videochat und der Herausforderung, die Schülerinnen und Schüler zu erreichen. 

Aber wie sieht in diesen Zeiten eigentlich die Arbeit der Schulleitung aus? Inwiefern hat die Pandemie auch Spuren bei denjenigen hinterlassen, die in den letzten Monaten kurzfristig erteilte Anordnungen oberster Dienstherren weiterleiten, wohlüberlegte Entscheidungen treffen und ungeklärte Fragen beantworten mussten? 

Ich habe bei meinem Schulleiter Christopher Axmann, Rektor der Carl-Prüter-Schule (CPS), nachgefragt. Er ist seit 2015 Leiter der Oberschule in Sulingen. Ich kenne ihn als einen engagierten Chef, der vorausschauend und vielschichtig denkt und arbeitet. Er wirkt eher distanziert, hat aber das Steuer fest im Griff und hält sein Schiff CPS auf Kurs. Auch wenn die Zeiten mal stürmischer werden, lässt er sich nicht aus der Ruhe bringen. Ob das Virus daran etwas geändert hat?

Jessica Dove: Sicher erinnerst du dich noch an den Moment, als die Anordnung kam, die Schule aufgrund der Corona-Krise vorübergehend zu schließen. Was waren deine ersten Gedanken?

Christopher Axmann: Wir müssen die Kollegen recht kurzfristig darüber briefen, wie Unterricht ab dem Zeitpunkt stattfindet und ich hatte gedanklich das Ganze noch auf eine Dienstbesprechung verschoben, die dann aber auch aufgrund der Auflagen so nicht mehr stattgefunden hat, sodass wir dann recht unvermittelt innerhalb von zwei Stunden in eine Situation geworfen worden sind. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass es so schnell geht.

Hast du dich damit überfordert gefühlt oder konntest du dem Ganzen gelassen begegnen? 

Überfordert habe ich mich nicht gefühlt, aber ich fand die zu dem Zeitpunkt herrschende Informationspolitik problematisch. Es gab die vielen Infos in den Medien und dadurch bekamen wir als Schulleitung über die Eltern und auch aus dem Kollegium heraus einen enormen Druck. Wir sollten Informationen liefern, die wir von unserem obersten Dienstherrn noch nicht bekommen hatten. 

War das somit die größte Herausforderung? Alle Anfragen zu bedienen und sich denen zu stellen, obwohl ihr selbst noch nicht wusstet, wie vorzugehen ist? Oder gab es andere Herausforderungen? 

Es war vor allem die Nervosität, die allgemein bei allen geherrscht hat, ohne dass eine klare dienstliche Anweisung vorlag. Wir sollten Entscheidungen fällen, was wir zu dem Zeitpunkt noch gar nicht konnten. Es waren alle nur medial informiert und das war es dann.

Du arbeitest eng mit deiner Konrektorin und deinem didaktischen Leiter zusammen. Konntet ihr durch diese Zusammenarbeit der Situation gemeinsam eher Herr werden? 

Ab Freitag, dem 13.3. gab es erst einmal die klare Anweisung „Es bleiben alle zu Hause“. Dadurch wurde erst einmal Zeit geschaffen, um sich zu sortieren und die ganze Situation wahrzunehmen. 

Dadurch, dass wir drei in einer recht engen Kommunikation stehen, konnten wir die Fülle der Informationen recht gut verarbeiten, reduzieren und für unsere Schule entsprechend anpassen, sodass das weitestgehend gut funktioniert hat. Wir wissen aber, dass es an der einen oder anderen Stelle Probleme gibt und gegeben hat.

Also hat die besondere Situation keinen besonderen Einfluss auf die Zusammenarbeit im Schulleitungsteam gehabt? 

Gar nicht, nein.

Für mich als Lehrkraft hat sich die Arbeit in den letzten Monaten sehr verändert. Homeschooling, Digitales Lernen, Videochat usw. sind zum Bestandteil meines Arbeitsalltags geworden. Gab es für dich als Schulleiter ebenfalls Veränderungen in deiner Arbeitsweise?

Wir waren bislang digital ganz gut aufgestellt, nicht perfekt, aber wir hatten uns bereits auf den Weg gemacht, sodass auch die Kommunikation mit dem Kollegium recht unkompliziert stattfinden konnte. Die andere Frage ist eher, wie hat die Kommunikation zwischen den Schülern und den Lehrkräften bzw. umgekehrt stattgefunden? Da gab es wenig Routine, wobei es in dem einen oder anderen Fall hervorragend geklappt hat und sofort Strukturen entstanden sind, die den Schülern eine Orientierung gegeben haben. In anderen Fällen kann man davon nicht reden.

Freut es einen Schulleiter, dass durch die Corona-Krise neue Strukturen entstanden sind und digitales Lernen voranschreitet?

Wir sind in diese Situation geraten und aus dem Präsenzunterricht herausgerissen worden und in den Onlineunterricht hineingeworfen worden, mir stellt sich deshalb die Frage, wie der Weg rückwärts ist. Und wie kann man das, was jetzt an Zugewinn entstanden ist, zunächst einmal in eine einheitliche Form bringen, weil die Kommunikationswege ganz unterschiedlich waren und sind. Wie kann man im Rahmen des Präsenzunterrichtes das dann wieder in den Alltag integrieren? Da sind dann noch ganz viele Schritte zu leisten – bis hin zu der Tatsache, dass Schüler eigene Geräte mitbringen könnten.

Du sagst gern „Wir müssen nach vorn schauen“ und „Immer in Bewegung bleiben“, das zeigt, dass du ein aktiver Mensch bist. Was haben wir aus der Krise gelernt? Was können wir dauerhaft übernehmen, was müssen wir anders machen? 

Wir müssen eine Form finden, wie wir den Lernzuwachs, den wir jetzt bei der Schülerschaft und den Lehrkräften zwangsweise erzeugt haben, in die Präsenzphase hinüberretten. Da gilt es eine Form zu finden, wie z. B. Wochenarbeitspläne, die digital gestaltet sind und bei denen die Schüler täglich ihr eigenes digitales Endgerät mitbringen müssen, um in vorgegebenen Lernzeiten an diesen Plänen zu arbeiten. Und darüber hinaus auch die Möglichkeit zu schaffen, diese Geräte, sofern sie denn verbindlich vorhanden sind, auch in den gesamten Unterricht zu integrieren. Aber diese müssen erst einmal da sein und verbindlich genutzt werden, damit wir das auch beibehalten können. Ansonsten werden wir in eine Präsenzphase zurückkehren und das Ganze recht schnell wieder vergessen.

Wie es nach den Sommerferien weitergeht, ist bisher noch unklar. Wie müsste man, deiner Ansicht nach, das System der Schule umgestalten? Was ist dein Wunsch, deine Hoffnung, wie es unterrichtsorganisatorisch weitergeht, und welche Ängste hast du? 

Meine Hoffnung ist, Unterricht wieder maximal abbilden zu können. Wir haben jedoch keine Planungssicherheit und werden diese wohl erst kurz vor Ende der Ferien haben. Da müsste ich jetzt aus der Glaskugel lesen (schmunzelt). Ich wünsche mir aber, dass möglichst viel Regelunterricht stattfindet und wir uns wieder programmatischen Themen zuwenden können und uns nicht nur in diesem Ausnahmezustand befinden. Wir möchten Schule wieder leben und vorwärtsbringen können.

Man hört immer wieder, dass Corona Familien enger zusammenrücken lässt und die Menschen mehr Zeit für bestehende und neue Hobbies nutzen können. Gilt das auch für Schuleiter?  

Nein, überhaupt nicht. Durch Onlineunterricht und -kommunikation sind, meiner Ansicht nach, die Arbeitszeiten individueller geworden und die Erreichbarkeit hat sich für mich eher ausgedehnt als reduziert. Dadurch, dass es Kollegen gibt, die gern morgens arbeiten, andere lieber mittags oder spät anfangen, und viele Schülerinnen und Schüler lieber nachts ihre Aufgaben erledigen, sind die Kommunikationszeiten andere geworden, und dadurch hat sich auch das Bedürfnis nach einer Antwort der Schulleitung auf Nachfragen in den Zeiten verschoben. Die Notwendigkeit, den Ausgleich in der Freizeit zu suchen, gab es durchaus, es war zeitlich jedoch für mich nicht machbar.

Danke für dieses Gespräch.

Auf dem Weg zurück ins Homeoffice, lasse ich das Gespräch nachwirken und empfinde großen Respekt für die Arbeit meines Chefs und seiner Crew. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man als Schulleitung allzu oft zwischen den Fronten steht und häufig Entscheidungen treffen muss, die vom obersten Dienstherrn angeordnet wurden und nicht für alle zufriedenstellend sind. Die Arbeit wurde auch im Büro des Rektors durch das Coronavirus durcheinandergebracht und es musste zwangläufig vom geplanten Kurs abgewichen werden. Das sind Situationen, die nicht leicht sind und belasten. Der Schulleitung der CPS ist es jedoch gelungen, durch Teamarbeit, Gelassenheit, Fleiß und einer positiven Einstellung den Kahn durch die Corona-Welle zu manövrieren.

Zur Person

Jessica Dove unterrichtet seit April 2019 an der Carl-Prüter-Schule, Oberschule in Sulingen. Von August 2014 bis Februar 2019 war sie Rektorin einer Grundschule mit zwei Standorten, hat sich jedoch von den Tätigkeiten entpflichten lassen. Seitdem unterrichtet sie Deutsch und Sport an der CPS.

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Projektleitung Journalismus und Schule beim niedersächsischen Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung
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