Die Presse in Zeiten von Corona

Imre Grimm – Arbeiten zwischen Journalismus und Kabarett

Von Frank Diedrichs

Imre Grimm leitet das Gesellschaftsressort beim RedaktionsNetzwerk Deutschland.
Foto: Hans-Jakob Erchinger

Bekannter Kabarettist, einer der „Journalisten des Jahres 2016“, Ressortleiter Gesellschaft beim RedaktionsNetzwerk Deutschland. Völlig unauffällig betritt Imre Grimm den Seminarraum der Lehrerfortbildung n-report digital in Steinhude; als ob er ein verspäteter Teilnehmer sei. Er mischt sich mit einer Tasse Kaffee unter die Leute, bis klar wird, dass dies der Interviewgast ist, von dem die Teilnehmer etwas über Journalismus lernen sollen.

Vom Menschen …

Der gebürtige Hannoveraner erwähnt zu seiner Biographie seine Zeit als Waldorfschüler, sein abgebrochenes Germanistik- und Geschichtsstudium und seinen Willen, über ein Volontariat im Journalismus Fuß zu fassen. Nach zwanzig Jahren bei der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung, wechselt er 2013 zum RND (RedaktionsNetzwerk Deutschland), welches durch Zusammenfassung von Redaktionen viele Tageszeitungen mit Content beliefert. 

Gefragt nach dem Zweck der Einrichtung dieses Netzwerkes, antwortet Grimm mit spitzer Zunge. Politisch begründet, „um Journalismus finanzierbar zu halten“, wobei man unpolitisch sagen muss, dass ein Nebeneffekt dieser Investition auch war, ,Geld zu sparen‘. Im Kern aber gehe es um ein Modell für die Zukunft. Man nimmt diesem Mann sofort die Doppelrolle ab: Journalist und Kabarettist. Von Beginn an verbindet er die Ernsthaftigkeit des Journalismus mit Humor, mit einer sachlichen Leichtigkeit, die die Teilnehmerinnen und Teilnehmer immer wieder zum Schmunzeln bringt. 

… zum Journalisten …

Imre Grimm wird gleich zu Beginn mit der Frage konfrontiert, wie er die Rolle der Medien in der Corona-Krise beurteilt. Er sieht die Entwicklung des Journalismus seit der Flüchtlingskrise 2015 positiv, da die Medien aus dieser Krise gelernt hätten. Die damalige Krise war ideologisch geprägt und „somit aus dem Ruder [gelaufen]“. Durch die Lehre aus den Fehlern ist es nach Aussage Grimms den Medien in der Corona-Krise gelungen, eine „Renaissance der Sachlichkeit“ zu etablieren.

Auch die große Beklemmung, dass irgendwie alle betroffen sind, sorgt dafür, dass die Thematik sachlicher aufgearbeitet wird, denn bei Vielen „ging es am Ende ums Leben“.

Dies war auch ein Grund für Grimm, seinen Podcast „Corona und wir“ zu starten. Hier haben Menschen aus unterschiedlichen Lebens- und Berufsbereichen eine Möglichkeit, zu Wort zu kommen. „Vom Bestatter bis zum Apotheker, vom Polizisten bis zur Grundschullehrerin, vom Kabarettisten bis zum Kulturveranstalter – und ich dachte mir, ich rede nicht über sie, sondern mit ihnen.“Teilweise unter sehr emotionalen Bedingungen.

Zudem berichtet er über ein prägendes Erlebnis während der Corona-Zeit, als er von der Tochter einer 87-jährigen Berlinerin angeschrieben wurde. Die Tochter schilderte, dass ihre Mutter im Pflegeheim, „in Einzelhaft“, wie „im Strafvollzug“ vor sich „hinvegetiere“. Diese Lebensumstände und die bewegte Vergangenheit der Mutter mit den Erlebnissen während des Zweiten Weltkrieges, die anschließende Flucht aus Ostpreußen, diese ganzen lebenseinschneidenden Erlebnisse, die haben „mich ganz schön mitgenommen“, so der Journalist.

Imre Grimm hat durchaus die Hoffnung, dass Journalismus besser wird, aber er befürchtet dennoch, dass der „Circle of Shit“ bleibt, der den Leserinnen und Lesern „schreiende Zeilen mit dünner Soße“ liefere. Er vergleicht den Beruf des Journalisten mit dem des Lehrers, denn beide „müssten am Ende dafür geradestehen“ , was ihren „Kunden“ erzählt wird. Ebenso müssten beide lernen, mit dem Konkurrenten Internet und dessen Möglichkeiten der Wissensvermittlung umzugehen.

Aber das gewachsene Vertrauen – entstanden durch diese „Renaissance der Sachlichkeit“ – in den Journalismus nach den harten Lügenpresse-Zeiten ist für ihn und seine Zunft ein sehr positives Gefühl.

Grimm gibt aber zu, dass die Medien früher hätten reagieren müssen, gerade in Bezug auf Familien, da von Beginn an der Fokus auf der Wirtschaft lag. Er betont aber „dass dies keine strategische Entscheidung der Medien“ gewesen, sondern der Fülle der Informationsflut geschuldet sei.

Eine weitere „Krisen“-Frage aus dem Plenum schließt sich an. Warum die Wissenschaftlichkeit bei der Klimakrise nicht funktioniere, möchte eine Teilnehmerin wissen. Grimm nennt als Beispiel das Interview mit dem „Autokanzler“ Gerhard Schröder, der sich nur wunderte, warum die Diesel- und Benzinfahrzeuge in der Coronoa-Krise nicht unterstützt wurden. „Ideologie ist der Vernunft immer im Weg – Die Mächte sind mächtiger“.

… zum Kabarettisten

Kabarettist und Journalist, Satire und Sachlichkeit – Fragt man Imre Grimm, gibt es einen ganz deutlichen Zusammenhang zwischen diesen Welten, den er auch nicht trennen möchte. Dafür liefert die Gesellschaft zu viel „Futter“, und ein „guter Witz hat größere Wirkung als ein Kommentar.“

Der Weg in das Kabarett war für Imre Grimm ein zufälliger. Die Kolumnen „Das Ding“ in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung wurden zu einem Buch zusammengefasst. Bei der Buchvorstellung wurde klar, dass es ein Publikum für diesen Humor gibt, sodass die Entscheidung, den Humor der Kolumnen auch live zu präsentieren, leichtfiel. Mit Uwe Janssen fand er einen kongenialen Partner. Ihm fiel auf, dass „bestimmte Sachen, die wir beobachten, keinen Platz im Journalismus haben. Als ob ein kleiner Quatschmacher in mir wohnt, der ans Licht will. Den von der Leine zu lassen, ist ein Teil [meiner] Persönlichkeit, der hat im Journalismus nicht so viel verloren“, das funktioniert nur auf der Bühne. 

Der journalistische Job erleichtert den Job im Kabarett. Kabarett funktioniert als Ventil. „Humor ist so ein freundlicher Mensch, und Satire ist die fiese, kleine Schwester, die giftiger ist, gemeiner sein kann, und wenn die Geschwister in einer Show sind, ist alles gut.“

Sein Humor wurde geprägt durch die „Alten Helden“ derComedy: Loriot, Heinz Erhard, Otto, Jürgen von Manger, die er alle liebevoll „die 70er-Spinnerchen“ nennt.

Eine Nachfrage des Plenums bezieht sich auf die Frage, ob Corona Teil von Kabarett sein dürfe. Grimm äußert sich dazu eindeutig, denn es sei „absurd, was passiert, und groß und überfordernd.“ Und auf diese Dinge sollte man auch mit Humor reagieren dürfen.

Nach seiner Aussage reagieren die Menschen auf die humoristischen Texte überraschenderweise mit wenig Protest. Negative Reaktion sind eher auf die journalistischen Texte zu erwarten, gerade in Corona-Zeiten, in der die Verschwörungstheoretiker Hochkonjunktur haben. Auf die Frage, ob man Attila Hildmann und Sven Liebich eher kabarettistisch oder journalistisch begegnen solle, ist seine Position eindeutig. Jede journalistische, sachliche Auseinandersetzung diene nur deren Stärkung in den Medien, „die größte Strafe für sie ist ignorieren, was Schlimmeres kann ihnen nicht passieren, als dass keiner über sie berichtet und ich glaub, wir haben das viel zu viel getan.“

Am Ende des Gesprächs zeigt der Journalist, dass er eine gehörige Portion Selbstironie besitzt. Auf die Frage, warum er im Kabarett-Sextett „Salon Herbert Royal“ der „horizontal Herausgeforderte“ sei, verweist er selbstbewusst auf seinen Körperumfang. „Das ist Biologie. Ich hab die Beine weit hinten, […] damit kann [ich] im Kabarett spielen, dass ich so bin wie ich bin.“

Wieder zeigt sich, wer Imre Grimm ist: Mensch, tiefgründiger Journalist mit Verstand und scharfsinniger Kabarettist. 

Zur Person

Frank Diedrichs unterrichtet Deutsch, Politik, Erdkunde und Geschichte an der Carl-Prüter-Schule Oberschule in Sulingen. Dort leitet er die Medien-AG mit den Schwerpunkten Video und Podcast.

Über n-report

Projektleitung Journalismus und Schule beim niedersächsischen Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung
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