In der Corona-Krise offenbaren sich die Schwierigkeiten des Journalismus: Haben die klassischen Medien ausgedient?

Von Maria Lutz

Imre Grimm zu Besuch bei der n-report-Veranstaltung in Steinhude
Foto: Hans-Jakob Erchinger

Nachrichtenportale und Zeitungen mussten sich in den letzten Monaten viel Kritik gefallen lassen: Sie seien zum bloßen „Verlautbarungsorgan“ der Politik geworden, würden die Entscheidungen zu immer neuen Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Pandemie lediglich weitergeben, ohne diese kritisch zu hinterfragen, hätten wichtige Fragen und Bedürfnisse der Menschen im Land vernachlässigt oder sogar für eine stärkere Dramatisierung gesorgt. 

Es drängt sich die Frage auf, ob wir den klassischen Journalismus in seiner jetzigen Form noch brauchen, wenn wir alle Informationen in Echtzeit über soziale Medien konsumieren können. Oder aber, was wir aus dieser Pandemie über die Bedeutung der klassischen Medien lernen können.

Zunächst zur Problemfeststellung: Zu Beginn der Pandemie sahen sich die Journalisten mit gleich zwei Extremsituationen konfrontiert: Einer täglichen Flut neuer Eilmeldungen, welche es zu kanalisieren galt, bei gleichzeitig eigener Betroffenheit durch die Pandemie. Dabei eine kritische Prüfung und Bewertung der Nachrichten vorzunehmen, war unmöglich. Damit einher ging, dass zunächst auch die existenziellen Fragen und Nöte von Familien, Angestellten, Selbstständigen, Künstlern (um hier nur eine Auswahl zu nennen) vernachlässigt wurden.

Ein weiteres Problem, das gleichzeitig einen Lösungsansatz beinhaltet, fasst der Journalist Imre Grimm so zusammen: „Journalisten wissen sehr viel über sehr wenig.“ Es fehlte also zu Beginn das Fachwissen, um transparent und differenziert über die Pandemie zu berichten und so dem Anspruch an den klassischen Journalismus gerecht zu werden. Dieses Faktum beinhaltet aber auch die Arbeitsgrundlage jedes Journalisten: Die Notwendigkeit und die Fähigkeit, sich immer wieder in neue Themen einzuarbeiten, um Informationen für die Bevölkerung zu ventilieren und zu bewerten.

Dies befähigt den Journalisten dazu, „die Pandemie nicht als Konsument, sondern als Produzent zu verfolgen“ (Cordt Schnibben) und dadurch sein Wissen an die Bevölkerung weiterzugeben, um Verharmlosung oder gar Falschinformationen keinen Raum zu bieten. Denn durch den Bedeutungszuwachs sozialer Medien wächst auch die Ausbreitung von Falschinformationen und Verschwörungsmythen. 

Der Vorteil der sozialen Medien ist gleichzeitig ihre größte Gefahr: Informationen können sich in Sekundenschnelle verbreiten. Hier sind die klassischen Medien definitiv im Nachteil. Es verbreiten sich jedoch gerade jene Meldungen, die von einer kleinen Minderheit in die Welt gesetzt werden, um Hass und Hetze zu streuen. Hier zeigt sich die Bedeutung der klassischen Medien, denn die „Angst wächst in den Lücken, die das Wissen lässt.“ (Imre Grimm). Was die sozialen Medien nicht leisten können, vermag der klassische Journalismus: Sich auf das Sachwissen konzentrieren, Fakten prüfen und Transparenz über den Prozess der Informationsbeschaffung herstellen. Imre Grimm sieht in der Corona-Pandemie gar die „Renaissance der Sachlichkeit“.

Trotz der Hochkomplexität der Themen darf auch die andere Seite nicht aus dem Blickfeld verschwinden: Medien sind die Schnittstelle zwischen Politik und Bevölkerung. Es muss also auch Zeit für die Menschen und ihre Geschichten bleiben. Auch ihnen muss eine Stimme gegeben werden, damit Missstände und Versäumnisse in das Bewusstsein der Gesellschaft und der Politik rücken – gegen eine einseitige Verfolgung wirtschaftlicher Interessen. Auch damit kann einer Minderheit entgegengewirkt werden, die als einziges Mittel gegen die Pandemie die Flucht in Hass- und Falschnachrichten sieht. Denn so wird auch der Mehrheit wieder eine Stimme gegeben.

Worüber sprechen wir also letztlich? Über das klassische Handwerkszeug eines guten Journalismus. Dieses gilt es zu bewahren und an die sozialen Medien weiterzugeben. Es hat sich bewährt und wird auch in Zukunft benötigt.

Zur Person

Maria Lutz unterrichtet an der Marie-Curie-Schule in Ronnenberg die Fächer Politik-Wirtschaft, Deutsch und Deutsch als Zweitsprache. Sie leitet zusammen mit einem Kollegen den Schülerblog „Marie Curier“, den es seit dem Jahr 2018 gibt. 

Über n-report

Projektleitung Journalismus und Schule beim niedersächsischen Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung
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